Verbraucherschutz und Konsequenzen der Dieseleinigung

Last Updated: Samstag, 11.11.2023By

Die Dieseleinigung der Koalition steht. Sind Autofahrer damit vor allen Fahrverboten gefeit? Wie teuer wird das Konzept für Autobesitzer in Deutschland aufgrund der Vorgaben Europas?

Nach dem deutschen Entscheid gilt, dass weitere von der übergeordneten EU für Europa folgen. Übersicht kann ein Laie, ein Autofahrer landläufiger Prägung noch nicht erlangt haben. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 05. September allein für Frankfurt /Main basiert auf den Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts Leipzig. Gerichtsentscheide für weitere Städte werden folgen. Die in der Konsequenz folgenden Entscheidungen während der nächtlichen Besprechung vom 01. auf den 02. Oktober im Bundeskanzleramt sind nicht allein relevant. Am 03. Oktober hat sich das EU-Parlament am Mittag getroffen, um über weitere Maßnahmen zum Klimaschutz zu entscheiden. Autofahrer sollen die Kosten für die nunmehr möglichen Nachrüstungen der Hardware tragen – ohne dass sich dadurch die Euro-Klasse verbessert.

Beide Entscheidungen hat Frau Marion Jungbluth vom Verbraucherzentrale Bundesverband am 03. Oktober um 15 Uhr Enttäuschung definiert. Am 17.10.2016 forderte sie bereits eine Musterfeststellungsklage zum Thema.

Konsequenzen der Dieseleinigung und zu erwartenden Entscheidungen

Die Ziele der eng zusammenliegenden Entscheidungen sind zu differenzieren:

Die noch folgenden Entscheide der Verwaltungsgerichte in Hessen erfolgen aufgrund der Klage der Deutschen Umwelthilfe (DUH), die wirtschaftlich von Toyota unterstützt wird. Als Maßstab wurden für Frankfurt /M maximal 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft (aktuell sind es 47…) gesetzt.  Betroffen sind ab Februar 2019 Diesel- (< Euro 5) und Benzinfahrzeuge (< Euro 3), ab September 2019 alle Dieselfahrzeuge (< Euro 6) gemäß Eintragung im Kfz-Schein und /oder eine digitale Kennzeichenanalyse. Als Interpretation des Urteils will der Bund im Emissionsschutzgesetz festschreiben, dass Fahrzeuge der Schadstoffklassen Euro 4 und Euro 5, die weniger als 270 Milligramm Stickoxide je Kilometer ausstoßen, von Fahrverboten ausgenommen werden. Dieser Grenzwert wird durch das neue Konzept damit sehr bedeutsam. Wenn ein Auto weniger als diese 270 Milligramm je Kilometer ausstößt, soll es von Fahrverboten nicht betroffen sein, selbst wenn es kein Euro-6-Diesel ist.

Im Bundeskanzleramt ging es bei der Dieseleinigung um Stickoxide und die Luftreinhaltung. Letztere soll durch Umtauschangebote der Autohersteller in Neuwagen mit Zuschüssen bis zu       € 10.000 und Nachrüstungen für eine Minderheit betroffener Fahrzeuge erreicht werden. Sicher ist, dass damit der Klimawandel beschleunigt wird, denn weniger Dieselfahrzeuge erhöhen den CO2 – Ausstoß im Gesamten, wenn mehr Benziner „unterwegs“ sind.

Die neuen Entscheidungen der EU betreffen nur diesen CO2 -Ausstoß. Dieser ist ab Anfang 2021 auf 95 (ab 2030 – 50) Gramm Ausstoß pro 100 km Fahrtstrecke zu beschränken. Für 2025 soll eine weitere Verminderung um 20%, ab 2030 um 40% erreicht werden (bisher fordert Deutschland 30% gefordert. Bis 2030 sollen 35 Prozent aller Neuzulassungen eines Herstellers emissionsfrei oder emissionsarm sein.

Realistische Messungen sollen erreicht werden, indem die geforderten Grenzwerte in Zukunft nicht mehr im Labor gemessen werden. Stattdessen sollen die Messungen unter Real-bedingungen mit einem tragbaren Messgerät erfolgen. Ab 2023 ist dieses Verfahren Pflicht. Die Umweltminister treffen sich am 9. Oktober in Luxemburg. Über den o. b. Vorschlag des Parlaments soll diskutiert werden.

Für die Verbraucher bedeutet die Dieseleinigung in jedem Fall ein erheblicher, wirtschaftlich noch nicht abzuschätzender Schaden, auch das mögliche AUS von Existenzen. Voraussetzung wäre, dass die Anordnungen befolgt werden und keine rechtlichen Gegenaktivitäten erfolgen. Letztere dürften wahrscheinlich sein. Die deutschen Hersteller haben sich noch nicht geschlossen bereiterklärt die Entscheidungen der Bundesregierung zu tragen. Ausländische Hersteller haben sich nur mit Renault positiv erklärt. Viele große deutschen Hersteller lehnen wirtschaftliche Unterstützung von Fahrzeugbesitzern ab.

Betroffene Autofahrer bei uneingeschränkter Durchsetzung der Entscheide

Die Dieseleinigung soll sich in Deutschland zunächst auf 14 von Luftverschmutzung „besonders belastete“ Städte fokussieren. Deren Ausweis basiert auf Erhebungen des Umweltbundesamts. Es sind die Städte, die 2017 einen Jahresmittelwert von mehr als 50 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft meldeten.

Besonders belastete Städte* im Jahr 2017 sind mit einem Jahresmittelwert von mehr als

50 Mikrogramm NO2 pro m3 Luft – in der abnehmenden Reihenfolge ihrer Belastungen –

München (78 Mikrogramm NO2 pro cbm Luft), Stuttgart, Köln, Reutlingen, Düren, Hamburg, Limburg, Düsseldorf, Kiel, Heilbronn, Backnang, Darmstadt, Bochum, Ludwigsburg (51… Luft). Gegen Frankfurt /M besteht mit 47 Mikrogramm NO2 pro cbm Luft bereits das o. b. Urteil

*Auszug aus der Liste „NO2-Grenzwertüberschreitungen 2017“ des Umweltbundesamtes (Stand: 30.05.2018)

**In Stuttgart, Hamburg und Frankfurt am Main sind Fahrverbote bereits beschlossen

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Wiesbaden zu Frankfurt verlangt maximal 40 Mikrogramm /cbm Luft. Davon sind mindestens 65 Städte in Deutschland betroffen. Für Frankfurt am Main, wo ab Februar ein Fahrverbot gelten soll, muss ein neuer Luftreinhalteplan geschaffen werden, um damit die Grenzwerte einzuhalten, ohne  Fahrverbote verhängen zu müssen. Für Frankfurter oder Pendler nach Frankfurt soll es folglich keine speziellen Umtauschprogramme oder Hardware-Nachrüstungen geben. Das Umweltbundesministerium hat für Frankfurt /M andere Maßnahmen angefordert. Die Regelung mit Unterstützung für die Einbeziehung eines Raumes von 70 km um die betroffenen Städte herum wird nicht realisiert.

Der Verbraucherzentrale Bundesverband wird Benachteiligungen von Hunderttausenden Autofahrern nicht hinnehmen. Entscheidend ist, dass Bewohner anderer Gegenden und Städte keine Zuschüsse erhalten und nicht mehr betroffene Städte fahren können, wenn sie ein mit Diesel (< Euro 6) bzw. Benzin (< Euro 3) angetriebenes Fahrzeug besitzen.

Ausnahmen stellen Arbeitsverhältnisse in der jeweiligen Stadt oder Selbständige dar, die ihren Firmensitz in der Stadt haben, sowie Fahrzeughalter mit „besonderen Härten“. Als solche könnte gelten, dass Angehörige zu pflegen sind, die in der betroffenen Stadt wohnen (Benrath, B.; FAZ).

Hinzu kommt, dass die Gerichte eine Hardware-Nachrüstung bei Euro 5-Dieselfahrzeugen nicht als Typenänderung betrachten müssen. Wenn durch Umrüstungen die Schadstoffquote auf < 40 Mikrogramm /cbm Luft sinkt, soll das betreffende Fahrzeug in die jeweilige Stadt fahren dürfen. Fahrzeuge ohne Umrüstungen dürfen das dann auch. Die Genehmigungen für die Hardware-Nachrüstungen sind vom Kraftfahrtbundesamt noch zu erarbeiten. Eine rechtliche Handhabe, solche Nachrüstungen durch die Hersteller oder legitimierte Dienstleister durchzusetzen, hat die Regierung nicht. Der Automobilexperte Ferdinand Dudenhöffer sieht keine Chancen das Konzept vor Ablauf von drei Jahren zu realisieren. Rechtlich müssten bis dahin Fahrverbote in mehr als 65 deutschen Städten für Dieselfahrzeuge (< Euro 6) bestehen, sofern nicht im Jahr 2019 auch Dieselfahrzeuge nach Euro 6, 6a, 6b, 6c ausgeschlossen werden. Fahrzeuge nach Euro 6d werden Ende 2019 auf den Markt kommen. Für Benziner bleibt die Sperre für Fahrzeuge nach Euro 1 + 2 unabhängig von der Dieseleinigung erhalten.

Betroffene Länder Europas

Die Bürger Deutschlands und das Land selbst geraten – unabhängig von der Dieseleinigung – durch die Forderungen auf Basis der EU-Beschlüsse unter Druck. Die geplante Neuregelung muss als Verordnung durch das Europaparlament und den Rat gemeinsam entschieden werden. Sie müssen sich daher auf einen Kompromiss einigen, bevor die Regelung verbindlich wird. Der Rat der EU-Umweltminister will seine Position am 09. Oktober 2018 festlegen.

Endgültig sind die strengeren Auflagen noch nicht, die Abgeordneten haben mit dem Votum aber die Position des Parlaments für die entscheidenden Verhandlungen mit den Mitgliedsländern und der Kommission bestimmt. Letztere schlug Ende vorigen Jahres eine Verschärfung der           CO2 -Limits um 30 Prozent vor. Deutschland mit seiner umsatzstarken Autoindustrie schloss sich dem Brüsseler Kurs jüngst an, nachdem das Umweltministerium in Berlin seine Forderung nach strengeren Höchstwerten aufgegeben hatte.

Unterdessen kündigte Dänemark an, den Verkauf von Neuwagen mit Benzin- oder Dieselmotor ab 2030 zu verbieten. Island will ab dem Jahr 2030 nur Elektrofahrzeuge zulassen. Norwegen will dieses Ziel im Jahr 2025, Frankreich im Jahr 2040 erreichen. Das Vorhaben sei ein „klares Signal an die EU, die Automobilindustrie und den Rest der Welt“, sagte Ministerpräsident Lars Lökke Rasmussen am Dienstag im Parlament. Dänemark wolle eine Vorreiterrolle einnehmen (SZ /dpa, 2018-10-03). In Deutschland können solche Vorstellungen realisiert werden, wenn genügend Strom zum Aufladen der Fahrzeuge bereitgestellt werden kann. Heute würde das Stromnetz zusammenbrechen, wenn es mehr als 25% aller Fahrzeuge mit Elektroenergie betrieben würden.

Fazit

Die Organisation(en) für Verbraucherschutz werden alles tun, um Schäden aufgrund der Dieseleinigung von den Verbrauchern abzuwenden. Ob die Autohersteller mitziehen, ist eine in den nächsten Wochen nicht umfassend zu klärende Frage. Bei den Umtauschprämien zeigen sich einige Autohersteller kooperativ. Anders sieht das bei den Hardware-Nachrüstungen aus. BMW und Opel lehnen alle Nachrüstungen ab (vgl. Benrath ebda). Andere Hersteller sind zu Teilleistungen bereit. Ausländische Produzenten wollen nicht mitwirken. Toyota verkauft gern Fahrzeuge mit Brennstoffzellen (Preis mehr als das Doppelte von Dieselfahrzeugen) und Hybridfahrzeuge (Preis ca. + 50%).  Fraglich ist, ob die Gerichte den Ideen folgen. Bayern folgt den Gerichten seit 2017 nicht. Wenn Verbraucher sich über den Verbraucherschutz gefordert sehen, gegen die dargestellten Einschränkungen vorzugehen, wird es viel juristischer Kunst bedürfen die Verfahren innerhalb von drei Jahren zu beenden. Über Verhältnismäßigkeiten wäre zu verhandeln – aber judex non calculat!

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