Gesichtserkennung – Schutz für Verbraucher vor Neugier

Gesichtserkennungs-Software ist auf dem Siegeszug. Hier wird sich noch dagegen gewehrt.           In China hat diese Praxis der Menschen-Verfolgung ihren nicht verhinderbaren Weg angetreten.

Wohlstand entsteht durch Vertiefung von Neugier zur Forcierung des Wachstums. Bei allem Ärgernis müssen wir akzeptieren, dass wir ohne sie weder Wissenschaft noch Technik hätten. Neugier kennt keine Grenzen und verletzt Intimität. Sollen wir uns dagegen wehren? Können wir das überhaupt, wenn ein Fremder an unseren Tisch im Café tritt, uns fotografiert und anschließend mit vollem Namen anspricht. Sollen wir uns freuen oder gruseln?

Russische Softwareentwickler haben „Findface“ produziert. Damit benötigt der Fotograph nur ein einziges Foto, um jemanden im Internet wiederzufinden. Die „New York Times“ hat den Amazon-Dienst „Rekognition“ jüngst verwendet, um die Hochzeitsgäste von Meghan Markle und Prinz Harry zu identifizieren. Google ist voll von solch verführerischen Angeboten (vgl. Hank, R.; FAS-Wirtschaft). Das Angebot lautet: „Gesichtserkennung auf Freeware.de: Mit dieser Top Software schnell & einfach Gesichter erkennen, scannen und analysieren. Jetzt kostenlos herunterladen!“

Suchanfragen zur Vertiefung der Gesichtserkennung

Google verarbeitet jeden Tag 3,5 Millionen Suchanfragen. Dazu gehören Lebensläufe, Krankheiten, sexuelle Vorlieben, Tatpläne. Mit „Künstlicher Intelligenz“ (KI) können wir Gesichter auf Fotos nicht nur identifizieren. Unsere Neugier hat freie Bahn: Daten aus sozialen Netzwerken, Partnersuche-Apps oder dem persönlichen Kalender ergeben das differenzierte Bild eines Menschen, den andere Sekunden vorher zum ersten Mal getroffen haben. Seine Eltern und Geschwister bleiben uns kein Geheimnis. Wer könnte sich interessieren seine erste Freundin, seine spätere Ehe- und heutige Ex-Frau oder seinen Boss aus der Firma, ein Ekel, kennenzulernen? Nie war die Erfüllung von Neugier so einfach wie heute.

Neugier und die laute Präsentation als Ergebnis aller Suchen gilt als empathisch, wissensdurstig, lernfähig, der Welt und den Menschen zugewandt. Interessierte wollen Anteil nehmen. Journalisten haben ihren Beruf ergriffen, um ihre Tugend in ihrem Beruf zu fördern. Gefordert wird die Wahrscheinlichkeit anstelle von Neugierde zu nennen. Software-Ingenieure oder theoretische Physiker antworten ähnlich. Zu Ende des letzten Jahrhunderts haben Menschen in versteckten Alpentälern ihren Kindern nicht gesagt, dass in Nachbartälern andere Menschen lebten. Das ist die Scheu vor dem Vorwitz und der Respekt vor dem Geheimnis der Schöpfung – im Sinne dieser Menschen. Solche Geschichten klingen wie Märchen aus vergangenen Zeiten.

Datenkapitalismus und Künstliche Intelligenz klingen anders. BIG DATA ist das Paradies der Neugierigen, die damit befriedigt werden. Wir wissen vieles voneinander und können doch den angefragten Menschen nicht erkennen.  Meist werden die Vorgaben der Datenschutzgrundverordnung mit Schreckensrhetorik ignoriert – oder gar nicht gekannt. Voyeure und Exhibitionisten leben mal in der einen, mal in der anderen Rolle. Wenn wir betroffen sind, schämen wir uns nicht dafür. Unsere Befriedigung der Neugierde ist Voraussetzung des Matchings mit Gesichtserkennung – der Paarung von Liebespartnern, der exakten Passung von Angebot und Nachfrage auf dem Markt!

Transparenz und Sünde

Matching braucht Transparenz, frei von den Sorgen der Existenz. Wir betreiben Selbstoptimierung. Die Neugierde will es bunt. Sie wird ist das Amüsement unseres „Début du siècle“ (vgl. Hank ebda.). Intimität und Persönlichkeit geben wir immer wieder auf. Gerichte wollten ungezügelte Neugier vermeiden, die Privatsphäre schützen und ihre Verletzung mit Strafe bewehren. Der Schutz von Seele und Körper, die Mühsal der Krankheit oder die Lust der Sexualität: Was ist geblieben?

Der Erfolg der Neugierde ist zweischneidig, so ambivalent wie die Neugier selbst (Yuval Harari, israelischer Historiker in „Homo Deus“). Gerade das Versprechen der Schlange an Adam und Eva schlägt zurück. Sie würden wie Gott („eritis sicut deus“), wenn sie von den verbotenen Früchten essen. Sie taten es und wurden zur Strafe aus dem Paradies vertrieben. Ihre Neugier konnte und wollte Gott ihnen nicht austreiben. Menschen von heute versuchen die „Künstliche Intelligenz“ in dem Versprechen der Schlange zu erwecken. Ganz nah zeigt der Traum von Wohlstand, Unsterblichkeit und Göttlichkeit den Homo Deus. Die Übertragung auf die heutige Zeit ist gelungen.

Die „pure Befriedigung der Neugierde“ ist kein Grund, Persönliches an die Öffentlichkeit zu zerren. Private Bilder sollen privat bleiben und nicht „Facefindern“ zur Verfügung stehen dürfen. Das Recht, seine Ruhe zu haben, ist eine Errungenschaft der Rechts-, und Zivilisationsgeschichte. Mit BIG DATA gerät es in Vergessenheit. Die Forderung nach Transparenz unterstellt der Intimität die Absicht zur Verdunkelung. Der Voyeurismus als Erklärung der Gesichtserkennung bewaffnet sich mit dem Zugriff auf die geschützte Privatsphäre, wenn sie sich immer exhibitionistischer der sozialen Netzwelt anbietet. Prominente können Spuren im Netz schwer beseitigen. Privates freigeben ist wie Federn aus dem Fenster fliegen lassen. Niemand kann sie wieder einfangen. Barmherzigkeit wird in Frage gestellt, wenn sich Neugierige ihre Gedanken über Herkunft und Höhe des Vermögens von Spendern machen.

Fazit

Der Fortschritt ist ein Kind der Neugier. Der Wohlstand von Teilen der Menschheit ist dessen Ergebnis.  Die Gier, die der Neugier innewohnt, entspricht dem Verlangen nach Wohlstand. Jeder will alles haben – ohne Rest. Anstelle des natürlichen Schamgefühls greift eine naive Schamlosigkeit um sich, die sich keiner Schuld, aber in der Gesichtserkennung offen bewusst ist.

Neugier („curiositas“) wurde danach vom Satan in die Welt gesetzt, der die Begierde in die Augen der Menschen eingepflanzt hat (vgl. Die Bibel; Neues Testament). Die Neugier wurde als Laster und schwere Sünde gesehen. Dem stehen in der von uns gelebten Kultur des Abrahamismus – nahezu wortgleich – in T(h)ora, Altes Testament und Koran entgegen: „Schon wegen der Neugier ist das Leben lebenswert“ – ein jüdisches Sprichwort aus der Thora. Zu Berge stehende Haare deuten auf ein Denken in permanenter Erregung hin. Neugier ist anstrengend, aber wichtig. Das Verbot, mit Neugier vom Baum der Erkenntnis zu essen, muss dazu führen, dass ein Übertreten durch „jenes höhere Wesen, das wir verehren“ (Böll, H.; Murkes gesammeltes Schweigen) als Grundlage des positiven Lebenskampfs gesehen wird. Die Sinologie hat die „Vorteilsschaffung“ durch Neugier als Zielsetzung. Damit sind die beiden größten Kulturen der Welt (Abrahamismus und Sinologie) vereint. BIG DATA und KI sind mithilfe der Neugier Grundlagen des Wohlstands in unserer zukünftigen Entwicklung.

Leave A Comment