Unternehmen – formal in der grauen Szene

Last Updated: Freitag, 10.06.2016By Tags: , , ,

Registrierte Unternehmen mit Genehmigung unerreichbar in Deutschland

im 19. Jahrhundert wurden für die Bürgerlichkeit Gesetze begründet, die bist ins 21. Jahrhundert Gültigkeit haben. Richtig ist, dass einige Paragraphen geändert worden oder entfallen sind. Die Gewerbeordnung dient hier als Vorlage:

Ausfertigungsdatum: 21.06.1869. Vollzitat: „Gewerbeordnung in der
Fassung, mittels der eine feste Einrichtung von dieser aus tatsächlich ausgeübt
wird – letztmals geändert am 17.02.2016, davor in diesem Jahrzehnt in 2010 und 2013. Die davor liegenden Änderungen sind umfangreich.

Die drei letzten Änderungen sind für Geschäfte von Unternehmendes des Stehenden Gewerbes entscheidend. Diese betreffen den Wegfall der §§ 15a, 15b, 16 – 28 GewO. Im § 15a ging es um Sitz und Deklaration eines Unternehmens an seinem Standort auf der Basis des Handelsregisters, sofern das Unternehmen dort eingetragen ist. Im anderen Fall galt die Gewerbeanmeldung beim Gewerbeamt am Sitz der jeweiligen Gesellschaft.

In der Praxis bedeutet dies, dass mit Blick auf den Datenschutz kein Unternehmen anzeigen muss, wo und ob es Büros und /oder Briefkästen unterhält, in die Post zugestellt werden kann. Begonnen hatte diese Problematik vor Jahren bei Privatpersonen, die aus Gründen der Sicherheit regional aufgefordert worden sind ihre Namen an ihrem Wohnsitz nicht anzuzeigen. Über erhofften Posteingang wurde der Briefträger informiert, der geflissentlich arbeitete. Im Falle seines Urlaubs kam es kurzfristig zu Problemen, die in Kommunikation zwischen dort ansässigen und der Urlaubsvertretung des Briefträgers geregelt wurden.

Mit der Abschaffung des Paragraphen 15 a waren auch Unternehmen nicht mehr verpflichtet ihren Sitz und /oder Briefkasten zu zeigen. Der Gesetzgeber schloss (fast) messerscharf, dass ein Unternehmen mit Erfolg tätig werden bzw. bleiben will und dafür sorgen wird, dass es erreichbar ist

  • für normale Post
  • für offizielle Zustellungen und Niederlegungen.

Nun gibt es Unternehmen, die in Bürogemeinschaften residieren. Durchaus gängig sind 75 Firmen in einem Büro. Der Posteingang wird in einem Briefkasten vereinnahmt, auf dem mit Sicherheit nicht 75 Namen stehen oder von einem Concierge entgegengenommen werden. Dies betrifft Unternehmen, für die es an einer Anschrift keine maximal ausgewiesene Zahl gibt. Seit April dieses Jahres wird dies von vielen deutschen Mitbürgern mit Blick auf die PanamaPapers verstanden. Nicht ganz so Erfahrene meinen noch zur Kenntnis zu nehmen, dass an dem beschriebenen Hochhaus der Anwaltskanzlei „Mossack Fonseca“ in Panama City etwa 214.000 Briefkästen angebracht sind. Soweit bekannt, wird Post am Empfang des Hochhauses entgegengenommen.

Zur Erinnerung sei angemerkt, dass dies kein ungewöhnliches Vorgehen ist,  weil Herr Mossack 1948 in Deutschland geboren worden ist. Es sei nochmals festgehalten, dass dies auch in Deutschland zulässig und gängig ist. Nicht ohne Einschränkung:

Rechtsanwälte müssen mit einem Türschild ausgewiesen und über Briefkasten erreichbar sein, dürfen sich jedoch bei einem Wirtschaftsprüfer oder einer Steuerberatungsgesellschaft einordnen. In der Konsequenz besteht seit Anfang 2016 die Möglichkeit und Empfehlung, dass Gerichte und Rechtsanwälte über elektronische Post erreichbar sind. Ab 2017 soll dies Vorschrift sein. Gerichte würden keine Bedienstete mehr mit Wagenladungen voll Ordnern durch die Gänge schieben. Rechtsanwälte würden Schriftsätze und gerichtliche Verfügungen digital erhalten. Eigene Schriftsätze und Anlagen (in pdf) würden ebenfalls digital versandt.

Privatrechtlich hat die Post dafür unter dem Begriff „ePost“ digitale Möglichkeiten installiert. Trotz dieser guten deutschen Ordnung bleiben rechtliche Lücken. Da sich Unternehmen nicht mehr zeigen müssen (kein Türschild, kein Büro, kein Briefkasten), ist eine Gesetzeslücke entstanden. Es soll Unternehmen geben, die gegründet oder aus alten Beständen gekauft werden, Geschäfte beginnen, danach ihre Kommunikationsdaten entfernen und nicht mehr erreichbar sind. Gleichwohl sind sie registriert. Ihr Verhalten ist legal. Ihr geschäftliches Handeln kann dabei illegal sein. Das ist eine andere Geschichte, die rechtlich zu verfolgen wäre – wenn diese Unternehmen über Zustellungen erreichbar wären.

„Kein Problem“, denkt der halbwegs rechtlich Gebildete. Dann mag ein Schriftsatz öffentlich zugestellt werden. Dazu muss allerdings ein Gericht bereit sein. Nach aktueller Rechtsprechung muss der um eine öffentliche Zustellung Nachsuchende nachweisen, dass er in angemessenem Umfang das anzugreifende Unternehmen gesucht und nicht gefunden hat – interessanterweise nicht nur in Deutschland, sondern auch im europäischen Ausland – oder, wenn dieses Unternehmen international tätig ist /war, weltweit.

Andererseits kann es sein, das ein Gericht mangels Übung des Richters eine Zustellung durch einen Boten der Deutschen Post AG anerkennt, obwohl der Nachweis fehlt, dass die Zustellung den gewünschten Empfänger auch tatsächlich erreicht hat. Dabei sei angemerkt, dass die Deutsche Post AG oft Subunternehmen beschäftigt, die zustellen, Post transportieren und gelbe Briefkästen leeren. Im südlichen Rhein-Main-Gebiet erfolgt dies durch ein bulgarisches Unternehmen, das mit Fahrzeugen operiert, die ein bulgarisches Kennzeichen tragen – ohne Zweifel nette Leute! Wenn auf diese Weise ein Titel aus einem Versäumnisurteil entsteht, kann der Betroffene dies anfechten, wenn es ihn erreicht.

Wer aus anderen Staaten kommt, kann durchaus eine Gesellschaft gründen und den Zugang nach kurzer Zeit ausschließen, indem Büro, Telefon, Briefkasten aufgelöst werden und auch der Geschäftsführer nicht mehr verfügbar ist. Mit dieser Gesetzeslücke wird der Verschleierung Vorschub geleistet, obwohl dieses Handeln ohne andere Straftat legal ist.

Abschließend und unter Bezug auf o. b. Darstellungen sei vermerkt, dass kein Unternehmen die Pflicht hat ein Büro zu unterhalten. Das kann von Anfang an der Fall sein. Prädestiniert dafür sind die seit einigen Jahren möglichen Unternehmer-Gesellschaften (UG). Für den Gesetzgeber bleibt eine Möglichkeit die ins Chaos umgewandelte Ordnung wiederherzustellen:

Mit der Einrichtung eines elektronischen Postfachs wird jedes Unternehmen – wie ab 2017 Gerichte und Rechtsanwälte – formal und zweifelsfrei erreichbar. Das kann kontrolliert werden. Unternehmen, die sich nicht dem Verdacht der Verschleierung aussetzen möchten, können dem heute entgegenwirken, indem sie ein elektronisches Postfach einrichten, über das rechtswirksame Zustellungen möglich sind. Davon ausgenommen bleiben Verträge, die neben der Schriftform – und nur dann rechtswirksam – die Unterschrift einer natürlichen Person erfordern. Wir leben heute in der digitalen Welt und müssen erkennen, dass unser Handeln mit Zweck und Ziel analog bleibt  – dies auch nach der Zeit der Smartphones.

JPM

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