Klischees von Verbrauchern über Versicherungsvertreter

Ein Berufsstand stirbt in Deutschland aus. Zuletzt hat er weniger verdient als viele glauben. Es nimmt keiner davon Notiz, dass er nicht abgeschafft werden sollte.

Der Versicherungsvertreter ist einer der unbeliebtesten Berufe südlich der Lüneburger Heide. Im Bereich von Hamburg sind eher Versicherungsmakler etabliert, die dort das Berufsbild der Ehre verkörpern. Das ist durch die globalen Kontakte zur Seefahrt bedingt, die sich seit Jahrhunderten auf das tägliche Leben auswirken. Seeleute, Eigentümer von Schiffen, Händler und Bewohner mussten sich über Jahrhunderte abstimmen, wie das Leben mit Versicherungen zu gestalten war.

Außerhalb dieses Umfelds werden für Versicherungsvertreter Attribute wie „schmierig“, „geldgeil“ oder „auf den eigenen Vorteil bedacht“ definiert. Anders sieht es aus, wenn Bürger ihre eigenen Versicherungsvertreter einschätzen. Sie nennen diese „verlässlich“, „aufrichtig“ und „immer da, wenn gebraucht“. Ein zuverlässiger Hinweis darauf, dass die mediale und fiktionale Verarbeitung des Themas klischeehaft sein könnte! Das schadet dem Berufsbild erheblich.

Versicherungen werden von den meisten Deutschen als trockenes Thema gesehen. Sie können sich nicht vorstellen, wie vielfältig der Beruf ist. Versicherungsvertreter müssen sich mit Themen wie Alters- und Gesundheitsvorsorge auskennen, Gewerbetreibenden Rat im Risikomanagement geben, diese gegen Feuer und Betriebsunterbrechung absichern und nach einem Autounfall Seelsorger des Kunden sein. Cyberdeckungen, Schutz vor dem Pflegefall, Haftpflichtrisiken gehören zum aktuell erweiterten Programm (vgl. Krohn, Ph.; FAZ 2018-11-26) .

Weg dieses Berufsstands in der Zukunft

Nachwuchs ist schwer zu finden. Deshalb ist in nur einem Jahrzehnt die Zahl der Vermittler von Versicherungen in Deutschland von 270 000 auf 200 000 gefallen ist. Der Struktureffekt zeigt, dass die Zahl der Versicherungsmakler im selben Zeitraum stabil geblieben ist. Makler suchen – anders als Vertreter – für den Kunden Produkte aus der Breite des Marktes heraus. Sie erfüllen in der analogen Welt die Funktion als Vergleicher und Aggregator, die in der digitalen Welt ein Vergleichsportal oder die Anbieter digitaler Versicherungsordner sind. Anders als Makler bieten Vertreter Versicherungsprodukte meist im Auftrag eines einzelnen Anbieters an. Wenn in Sekundenschnelle das globale Produktangebot verglichen werden kann, ist das als Gesamtleistung vielen Verbrauchern zu wenig. Sie wenden sich der Konkurrenz zu.

Neben dem demographischen Effekt und der sinkenden Attraktivität für den Nachwuchs gibt es noch einen weiteren Grund für den wachsenden Abstand von diesem Berufszweig: In den vergangenen Jahren haben Brüssel und Berlin die Daumenschrauben angezogen.

Treat the customer fair

Mit neuen Regeln wird versucht, das Verbraucherleitbild „Treat the customer fair“ (Behandle den Verbraucher anständig) durchzusetzen. Für Mitarbeiter des Finanzvertriebs bedeutet das, mehr Dokumentationen, strukturierte Beratungen und Haftungen bei Zuwiderhandeln anzuerkennen.

Anders als vermutet, sind Versicherungsvertreter keine Großverdiener. Einer Studie zufolge erzielen sie bei einem Jahresumsatz von rund 200.000 Euro einen Gewinn von 85 000 Euro. Davon müssen sie Aushilfen und Assistenten bezahlen. Jeder Dritte erwirtschaftet weniger als 50.000 Euro Gewinn im Jahr. In diesem Umfeld können Einzelkämpfer selten überleben.

Die Kette sieht viele Vermittler (Makler, Vertreter und Strukturvertriebler) auf dem Weg in die Unabhängigkeit, um Makler zu werden. Um zu überleben, nehmen sie die mit Kosten verbundenen Dienste eines Maklerpools in Anspruch. Damit schaffen sie sich Ressourcen für den Dienst am und die Beratung der Kunden. Die Verwaltung übernimmt der Pool oder das einigermaßen erfolgreiche Versicherungsunternehmen.

Altersvorsorge

Hinzu kommt eine wichtige politische Komponente: Die Altersvorsorge erwirtschaftet wegen der niedrigen Zinsen und der großen Marktschwankungen weniger Gewinn als früher. Das vermindert die Zuflüsse bei den Vertrieben. Führt die Politik einen Provisionsdeckel ein, leiden  Vermittler, die sich „ohne Deckel“ noch halten können. Qualitativ hochwertige Beratung wird nicht die Folge sein. Größere Teile der Kundschaft wandern zu Robo Advisors ab, die  algorithmische Finanzprodukte empfehlen. Wie individuell treffen diese Kundenbedürfnisse?

Die von der Politik geschätzte Honorarberatung kann den Nachweis ihres Erfolgs nicht erbringen.  In Großbritannien und den Niederlanden wurde einseitig diese Form der Vergütung privilegiert – mit der Folge, dass untere Einkommensgruppen in Absicherungsfragen keinen menschlichen Berater mehr in Anspruch nehmen. Viele wünschen sich die Provisionsvermittlung zurück, um in allen Bevölkerungsgruppen einen besseren Versicherungsschutz zu erreichen (vgl. Krohn ebda.).

Die Politik kann nur dann ihre gesellschaftlichen Ziele erreichen, wenn sie sich von ihren Klischeebildern (Vertriebe verdienen zu viel, Honorarberatung ist immer gut) verabschiedet. Der nüchterne Befund steht: Die Beiträge von Versicherungskunden müssen so aufgeteilt werden, dass alle davon leben können. Den Vermittlern ist mehr zumuten. Abschaffen ist die falsche Vorgabe.

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